Während der Allianzgebetswoche habe ich einen Abend gehalten zum Thema: »Freude als Frucht des Heiligen Geistes.«
Wow – eigentlich waren wir eine Versammlung von Außerirdischen! Aus einer anderen Welt, einer anderen Zeit. Wenn man 100 durchschnittliche Netflix-Instagram-Hollywood-Tagesschau-geprägte Deutsche oder speziell Jugendliche fragen würde, was sie sich darunter vorstellen: »Allianzgebetswoche. Thema: Freude als Frucht des Heiligen Geistes« – sie würden wahrscheinlich ziemlich verdutzt aus der Wäsche gucken.
Dass die Allianz in diesem Fall etwas mit der Kirche zu tun hat und nicht mit einer Versicherung, das muss man wissen. Auch nicht alle Christen wissen das. Was Otto-Normalverbraucher mit Gebet am Hut hat – und auch noch mit einer ganzen Gebetswoche – ist durchaus auch eine spannende Frage. Wissenschaft, Fakten, Atheismus, was hat in unserer mega-aufgeklärten Gesellschaft überhaupt noch das Gebet verloren?
Freude! Haben wir verlernt: Corona-Krise, Ukraine-Krieg, steigende Kosten, die letzte Generation vor der Klimakatastrophe, worüber oder worauf sollte man sich freuen? Bei den glücklichsten Ländern 2022 sind wir nicht unter den Top 10. Platz 1: Finnland, Platz 4: die Schweiz. Das krisengeschüttelte und dauerwählende Israel auf Platz 9! Bei uns eher »German Angst« und »German Sorgen«.
Freude als Frucht des … Fußballs. Gilt auch nicht mehr. Ausgeschieden, schlechte Spieler, schlechter Trainer, schlechte Haltung, furchtbares Gastgeberland, WM kurz vor Weihnachten. Passt nicht, passt uns nicht. Verursacht jedenfalls keine Freude.
Freude als Frucht des Heiligen Geistes. Das dritte Element der Dreieinigkeit, der Heilige Geist, ist uns (also den Christen, die ähnlich geprägt sind wie ich) auch eher fremd. Jesus als Mensch, Gott als Schöpfer, darunter kann ich mir was vorstellen. Aber der Heilige Geist? Sehr abstrakt. Und er soll die Ursache von Freude sein?
Ganz schön sperrig das alles. Irgendwie inkompatibel zu der Welt, in der wir leben. Und auch für mich persönlich sehr herausfordernd.
Aber wie erfreulich, dass sich zu unserem Gebetsabend am 10.1.2023 soviele »Außerirdische« (über 50 Christen aus mehreren Orten) versammelt haben, um zu beten! Und aus Gottes Wort etwas über die Freude zu hören.
Der Bibelvers zum Thema lautet: »Die Frucht des Geistes ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Keuschheit.« (Galater 5,22)
Da sind noch ein paar mehr solcher Brocken drin, die sich quer zu dem stellen, was wir kennen und wie wir leben.
Tief durchatmen. Und nochmal lesen: »Die Frucht des Geistes ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Keuschheit.«
Der Heilige Geist, wir hören wohl schon ganz am Anfang der Bibel von ihm: »Und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser. – Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen.« – Zwei Verse aus 1. Mose 1, die Hinweise auf den Heiligen Geist und die Dreieinigkeit enthalten.
Getauft sind wir Christen »auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes«. Als Nachfolger Jesu ist uns der Heilige Geist gegeben, um bei uns zu sein, wie es in Apostelgeschichte 1,8 verheißen ist: »Aber ihr werdet die Kraft des heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein …«
Wenn wir eben diesen Geist, seine Kraft in uns wirken lassen, dann wird er Frucht tragen. Und eigentlich könnten wir diese Früchte, die da im Galaterbrief erwähnt werden, ganz gut gebrauchen!
- Liebe, dem anderen zugewandt und nicht nur im Egoismus lebend.
- Freude – darauf kommen wir noch.
- Friede, davon würden wir natürlich mehr erhoffen. In der Ukraine, weltweit, aber auch in unserer Gesellschaft, in unserer Nachbarschaft, in der Familie! Und ebenso auch mehr Freundlichkeit, die erwähnt wird.
- Geduld. Herr, gib mir Geduld, aber schnell! Wartezeiten gibt’s ja kaum noch, immer ist das Handy da. Dadurch haben wir die Geduld verlernt. Alles muss schnell gehen, sofort da sein. Google kennt jede Info, die WhatsApp-Antwort kommt hoffentlich postwendend. Die Geduld ist weg, dafür ist der Stress da. Vielleicht kann uns der Heilige Geist helfen, wenn wir ihm wieder mehr Raum geben und dem Handy weniger?
- Güte, Treue, Sanftmut, Keuschheit. Das klingt in der heutigen Zeit nach einer Ansammlung von Fremdwörtern. Da brauchen wir fast den Duden, um zu wissen, was das alles ist und wie das geht. Man kann sich diesen Bibelvers mal vornehmen und durchbuchstabieren. Und eine weitere, moderne Übersetzung verwenden.
Und jetzt also nochmals die Freude. Als ich vor vielen Jahren mal mit der Bahn unterwegs war, da sind wir auf offener Strecke stehengeblieben. Irgendein technisches Problem. Der Schaffner lief dann durch den Gang und sagte: »Ich freue mich immer, wenn der Zug unterwegs liegenbleibt. Denn wenn ich mich nicht freuen würde, wären wir trotzdem liegengeblieben.«
Ein Optimist! Ein unverbesserlicher Optimist? Jedenfalls besser, als sich immer von der »German Angst« treiben zu lassen. Humor ist ja – wissenschaftlich erwiesen – gut für die Gesundheit. Aber richtige Freude ist mehr.
Ich möchte nun drei »Medikamente« vorschlagen, wie man im Alltag dem Heiligen Geist mehr Raum geben kann und damit auch eher die Chance hat, dessen Früchte zu erleben.
Stille (und Gebet). Freude als Frucht … unseres Handys. Das gibt es auch. Unsere Handys sind richtige Freudenspender, viele kleine Freudenhäppchen. Jedes Katzenvideos, jeder Like, jede Nachricht. Aber diese Freuden sind von kurzer Dauer. Und dann bleibt im besten Fall Leere, im schlechtesten Fall die Sucht nach neuen kleinen Freuden, »fear of missing out«. Vorschlag: Mal alles abschalten, weg von allem. Zur Ruhe kommen.
Wir haben am 27. Dezember 2022 ein Experiment gemacht, Zwölf Personen haben sich darauf eingelassen, ein Experiment der Stille. In der Chorsakristei unserer Michaelskirche in Sulz am Eck haben wir einen Film angeschaut: »Die große Stille« – Wie fühlt sich Kloster an? Es war still, wurde langsam kalt, man brauchte Geduld. Zum Glück »nur« 160 Minuten. Die Mönche im Film haben ihr ganzes Leben dem Schweigeorden der Karthäuser verschrieben. Es war für uns eine interessante Erfahrung.
Wie finde ich Stille? Mit Job, Familie, Gemeinde muss man sich fast dazu zwingen. Aber es lohnt sich! Wir brauchen Stille, um unserer Seele Erholung zu geben und im Gebet vor Gott zu kommen.
Gemeinsame Stille und gemeinsames Gebet sind etwas Wichtiges. deshalb gibt es die Allianzgebetswoche und deshalb gibt es in Sulz am Eck jeden Dienstag die Gebetsstunde. Seit 100 Jahren! 2023 wollen wir die Gebetsstunde und eigentlich das Gebet an sich ganz besonders zu Bewusstsein bringen. Wir machen sechsmal Gebetsstunde spezial:
Das Experiment der Stille und die Mitgestaltung der Allianzgebetswoche waren die ersten beiden Aktionen. Weitere Termine:
- März: Kontemplatives Gebet im Kloster Hirsau mit Pfarrer Sebastian Steinbach. Abfahrt 18.30 Uhr am Gemeindehaus
- Juni: Jubiläumsveranstaltung mit Prälat Ralf Albrecht zum Thema: »Je länger ich bete, desto weniger rede ich« (Matth. 6,5-13)
- Oktober: Gebet zum Tag der deutschen Einheit
- November: »Friedrich Fabriz, Paul Müller – auf den Spuren historischer Glaubensvorbilder«
Darüber hinaus: Herzliche Einladung jeden Dienstag um 19.30 Uhr zur Gebetsstunde im Sulzer Gemeinschaftshaus!
Medikament Nr. 2: Dankbarkeit. Im Juli war ich mit meiner Tochter in Österreich beim Formel-1-Rennen. War echt cool, das mal live zu sehen. Und anstrengend. Insgesamt über 1200 Kilometer Autofahrt, vom Parkplatz zur Rennstrecke laufen, unterschiedliches Wetter, drei Tage hintereinander. Als wir das gebucht hatten, im Oktober 2021, war gerade erst meine Krebsbehandlung überstanden. Ich wusste gar nicht, ob ich mir das zutrauen kann. Aber ich hab’s gewagt und auch gut überstanden, ein tolles Vater-Tochter-Projekt, ich bin dankbar, das erlebt zu haben. Und auch sehr, sehr dankbar, nach der Erkrankung wieder gesund zu sein. Was für eine Freude!
Ich bin auch dankbar für einen tollen Urlaub im Jahr 2022, für die Familie, Freunde, meine Firma, meine Gemeinde, und dass ich dieses Jahr – so Gott will und wir leben – wieder nach Israel reisen werde. Kann man nicht für wirklich viele Dinge dankbar sein?
Medikament Nr. 3: Hoffnung. An Silvester war ich joggen. Als ich wieder zum Auto kam, scheinte die Sonne nochmal so richtig durch die Wolkendecke, kurz bevor sie unterging: die letzten Sonnenstrahlen 2022. Ich war guter Hoffnung, dass sie am nächsten Morgen wieder aufgehen würde. Ein neuer Tag, ein neues Jahr, der Liedvers kam mir in den Kopf: »Die güldne Sonne, voll Freud und Wonne.«
Im Heft zur Allianzgebetswoche stehen auf S. 11 ein paar Gedanken von Wladimir Pikman, einem messianischen Juden: Er zitiert eine jüdische Weisheit: »Solange die Erde unter mir ist und nicht über mir, gibt es noch Hoffnung.« – Die israelische Nationalhymne heißt Hatikva, die Hoffnung.
Pikman schreibt über 1. Petrus 1, dort steht in Vers 6: »Dann werdet ihr euch freuen, die ihr jetzt eine kleine Zeit, wenn es sein soll, traurig seid in mancherlei Anfechtungen«. »Das ist unser Heute«, schreibt er weiter, »unser Leben jetzt: Probleme, Leiden, Krankheiten, Anfechtungen. Aber trotzdem gibt es Freude. Warum? Weil es Hoffnung gibt. … Die Hoffnung auf ewiges Leben … Und wenn dann Jeschua wiederkommt, wird unsere Vorfreude in unaussprechliche Freude verwandelt werden (Vers 8).«
Diese Hoffnung auf das ewige Leben gibt uns der Heilige Geist. In allem, was schlecht ist in dieser Welt und in unserem Leben. Aus dieser Hoffnung heraus bringt er in uns Frucht – auch wenn es im Alltag immer wieder herausfordernd ist: Liebe und Geduld, Friede und Freundlichkeit, Güte und Treue, Sanftmut und Keuschheit – und, was fehlt noch? Freude! Freude für uns »Außerirdische«.