Anfang Februar 2017 ging die Meldung durch die Presse, dass in Qumran eine »Höhle 12« neu entdeckt worden sei. Forscher der Hebräischen Universität von Jerusalem haben zusammen mit dem Bibelforscher Randall Price von der Liberty University in Virginia »einen der aufregendsten archäologischen Funde in Qumran und den wichtigsten in den vergangenen 60 Jahren« gemacht. In der Höhle wurden Tonkrüge gefunden, die jedoch keine Schriftrollen enthielten. Offensichtlich wurde nur ein Stück unbeschriebenes Pergament entdeckt, zusammen mit weiteren Funden wie Keramik, Pfeilspitzen sowie einem Stempelsiegel. Zudem wurde eine Spitzhacke aus den 1950-er Jahren gefunden, die beweist, dass die offensichtlich einmal vorhandenen Schriftrollen aus den zertrümmerten Krügen geplündert worden waren.
Natürlich sind diese archäologischen Funde herausragend, neue schriftliche Zeugnisse aus der wichtigen Epoche um Christi Geburt sind aber leider nicht darunter. Zu diskutieren wird nun wohl sein, ob diese Höhle tatsächlich als »12Q« in die Forschungsgeschichte von Qumran eingeht, denn eigentlich umfasst die Nummerierung nur Höhlen mit Fragmentfunden.
Nach einem Artikel von Craig Evans wurden bereits 1993 mehrere Höhlen nur unvollständig untersucht, darunter eine »Höhle 53«, die nun die Aufmerksamkeit von Randall Price auf sich gezogen hätte. Insgesamt gibt es also in Qumran wesentlich mehr Höhlen, als die bisher 11 Höhlen, die Schriftrollen oder zumindest Fragmente enthielten.
Ein ausführlicher (vorläufiger) Report von Craig Evans mit Fotos von Randall Price: Parchments found at new Dead Sea Scrolls Cave
Die deutsche Übersetzung davon: Nach 60 Jahren: Neue Qumran-Höhle am Toten Meer gefunden
Qumran und die Schriftrollen vom Toten Meer sind nicht nur aus archäologischer Sicht von besonderer Bedeutung, sondern auch für die Überlieferungsgeschichte der Bibel.
Weltberühmt machte Qumran 1947 ein Beduinenjunge. Der Ort liegt etwa 20 Kilometer südlich von Jericho unweit des Toten Meers. Durch Zufall entdeckte der Junge in einer Höhle die ersten Schriftrollen, denen viele weitere folgten. Inzwischen wurden etwa tausend Rollenreste gefunden oder vom leider florierenden Schwarzmarkt erworben. Die Zahl der Textfragmente beträgt über 80.000, daraus konnten 15.000 zusammengehörige Textgruppen rekonstruiert werden. Die Schriftrollen bestehen aus Ziegenhaut oder Papyrus, eine einzige ist aus Kupferblech. Die Schriften entstanden zwischen dem 3. Jahrhundert v. Chr. und dem Jahr 68 n. Chr., dem Jahr, als eine römische Legion Qumran zerstörte. Sie enthalten Teile aus dem Alten Testament, darunter die berühmte, fast vollständige Jesajarolle. Daneben gibt es Kommentare zu biblischen Texten und auch Schriften vorher unbekannter jüdischer Sekten. Aber auch Inventarlisten wurden in den insgesamt 11 Höhlen aufbewahrt.
In der Nähe der Höhlen hat man Ruinen ausgegraben, bei denen es sich vermutlich um die Überreste einer Gemeinschaftssiedlung handelt. Die meisten Forscher gehen davon aus, dass dort Essener gelebt haben, die neben den Sadduzäern und Pharisäern die dritte religiöse Partei der Juden bildeten. Neben einem 24 Meter langen Speise- und Versammlungsraum fand man auch eine Schreibstube, eine Töpferei sowie Zisternen und Ritualbäder.
Im »Schrein des Buches« des Israel-Museums in Jerusalem sind viele der Schriftrollen aus Qumran aufbewahrt und teilweise ausgestellt. Eine Kopie der nahezu vollständigen Jesaja-Rolle ist in kompletter Länge ausgebreitet. Der Bau ist dem Verschlussdeckel eines Tonkruges aus Qumran nachempfunden.
Literaturempfehlung:
Alexander Schick: »Faszination Qumran«
Timo Roller, 21.02.2017